Scham: Wenn der Partner sich nicht nackt zeigen möchte
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Scham: Wenn der Partner sich nicht nackt zeigen möchte
Aktualisiert: 12.06.2021, 05:30 | Lesedauer: 4 Minuten
Hajo Schumacher und Katrin Hinrichs sprechen in ihrem neuen Podcast über Sex.
Foto: Roland Magunia
Die Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs über extreme Schamgefühle – sie verrät was dagegen helfen kann.
Hamburg. Heute geht es bei „Ich frage für einen Freund“ um ein Thema, mit dem Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs in ihrer Praxis sehr oft zu hat – um übertriebene Schamgefühle.
Übertriebe Scham kann viele Ursachen haben
Sie erzählt von einer Patientin mittleren Alters, die ihren Mann über alles liebt, es aber nicht erträgt, wenn er sie im Bett anschaut. Sie mag nicht sagen, was sie im Sexualleben gut findet und was nicht, mag keine Wünsche äußern, es sei ihr einfach alles schrecklich unangenehm. Ein typischer Abend sehe bei ihr zu Hause wie folgt aus: Sie ziehe sich im Badezimmer schnell ihr Nachthemd an, schlüpfe ins Bett und mache das Licht aus.
„So etwas gibt es im 21. Jahrhundert noch?“, will Hajo Schumacher wissen. „Viel, viel öfter, als du denkst“, sagt Hinrichs. Das Problem bei ihrer Patientin habe in ihrer Kindheit begonnen: In ihrer Familie sei nicht über Sexualität geredet worden, sie habe auch ihre Eltern niemals nackt gesehen.
Übertriebe Scham hat manchmal ganz konkrete Auslöser
Konkreter Auslöser des übertriebenen Schamgefühls sei folgende Geschichte gewesen: Als kleines Mädchen habe die Patientin mit einer Freundin an einem warmen Sommertag nackt vor einem Spiegel getanzt – so lange, bis die Mutter hereingekommen sei und entsetzt gerufen habe: „Was macht ihr denn hier, das ist ja widerlich.“
Die Freundin musste sich damals anziehen und gehen, ihre Patientin habe die Welt nicht mehr verstanden: „Dieses Erlebnis ist bei ihr bis heute präsent. Das übertriebene Schamgefühl, das ihr die Mutter und die Familie damals aufgezwungen haben, ist geblieben. Und jetzt wird sie es nicht los.“
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Oft hilft das Sprechen über Erlebnisse
Was hilft dagegen? Vor allem, über das Erlebnis als Kind und die übertriebene Reaktion der Mutter zu reden: „Sie hätte ja auch sagen können: Ihr könnt ja toll tanzen, aber macht bitte langsam Schluss und zieht euch an, wir kriegen gleich noch Besuch. Damit wäre eine natürliche Scham entwickelt worden, die in unserer Gesellschaft eine wichtige Funktion hat.“
Wenn die Patientin das verstanden hat, könne man anfangen, mit ihr an dem übertriebenen Schamgefühl zu arbeiten. „Statt eines langen Nachthemds kommt sie vielleicht mal nur in Unterwäsche ins Bett und lässt das Licht an. Wenn sie sich damit wohlfühlt, geht es dann Schritt für Schritt weiter.“
Die Beleuchtung im Schlafzimmer kann viel ausmachen
Das sei ein Prozess, in dem man lernen müsse, sich etwas zu trauen und sich im wahrsten Sinne des Wortes nackig zu machen, auch wenn das sehr schwerfalle. „Es gibt Leute, die stecken so voller Scham, dass man sie dort niemals hinbekommen wird.“
Hajo Schumacher hat da noch einen Tipp von einem Freund: Der hatte lange in seinem Schlafzimmer eine Beleuchtung wie in einem Fußballstadion. Seit sich das Licht dimmen lasse, sei auch das Zusammensein mit seiner Frau ein ganz anderes geworden: „Und manchmal hilft es dem anderen, wenn der Partner einfach mal die Brille absetzt …“
Auch junge Leute von Schamgefühlen betroffen
Hinrichs erzählt von einer anderen Patientin, Anfang 20, die in ihre Praxis kam, weil sie sich nicht traute, sich vor ihrem Freund auszuziehen: „Und der wurde langsam etwas ungeduldig …“ Bei ihr lag die Ursache für das übertriebene Schamgefühl nicht in der Kindheit oder der Familie.
„Sie hat sich den Druck selbst gemacht, weil sie glaubte, mit all den Frauen und Mädchen, die sie im Internet gesehen hatte, nicht mithalten zu können.“ Sie habe eine solche Scham durch den Optimierungsdruck entwickelt, dem sich gerade junge Mädchen oft gegenübersehen, dass sie zum Beispiel ihrem Freund ihre Vagina nicht zeigen wollte, „weil sie fand, dass ihre Schamlippen viel zu groß seien: Allein der Begriff Schamlippen ist übrigens in diesem Zusammenhang schon verräterisch.“
Sie habe dann versucht, so Hinrichs, in Gesprächen der jungen Frau ein angemessenes Bild ihres eigenen Körpers zu vermitteln: „Jeder Körper ist genau richtig, wie er ist. Und jeder Körper ist schön.“
Aktualisiert: Sa., 12.06.2021, 05.30 Uhr
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